Säulen, Tempel, imposante Ausmaße, gesetzte Steine, scheinbar für die Ewigkeit, für hunderte, tausende Jahre und dann - ein Wimpernschlag in der Geschichte unserer Erde - ein Beben, kurz,
heftig und folgenreich. Zerstörung. Zusammenbruch. Beginn des Zerfalls.
Die Restbestände werden nun von Touristen aus allen möglichen Ländern besichtigt. Die meisten machen Fotos, posieren vor den Trümmern und Tempeln, Erinnerungen in Fotoform, Selfies in ehemals
geweihten Hallen, ein flüchtiges Studieren der Info-Tafeln. Neue Touristen kommen; jene, die hier gewesen sind, werden wahrscheinlich nie wieder diesen Ort betreten.
Eine Friedhofsruhe liegt über diesen Ort, in der Luft der Duft des sizilianischen Frühlings. Ich wandere ebenso wie die anderen Touristen die ausgetretenen Pfade ab. Mich bewegt dieser Ort, mich
bewegt die Szenerie der zerstörten Tempel. Ich schließe die Augen und denke an das quirlige Treiben in den Städten dieser Welt, gleich ob in Mega- oder Kleinstadtformat. Überall hetzen in diesem
Moment Menschen von A nach B, sie bauen, entwerfen, planen, schaffen und halten sich selbst und ihre "Projekte" für ungemein "wichtig". Projekt Hausbau. Projekt Kind. Projekt Rente. Projekt
Autokauf. Tausend Projekte. Tausend "wichtiger" Termine, Leistungen, Dinge, die wir schaffen.
Von einem Standpunkt aus gesehen, der über Jahre und Jahrzehnte hinausreicht sind wir nicht mehr als kosmische Lachnummern. Wir halten uns selbst und unsere Projekte für unverzichtbar. Aber wir
sind es nicht. Irgendwann brökeln unsere Säulen. Irgendwann fallen unsere Tempel.
Ab hier hätte ich aufhören können, zu schreiben. Aber es gibt eben noch eine "andere Wahrheit" als das eben Gesagte.
Natürlich sind unsere Wünsche, Pläne, Träume und Projekte wichtig. Für unsere Kinder, Eltern, Freunde, Nachbarn und alle Menschen, die uns umgeben. Beim Leben im Hier und Jetzt sind die
kosmischen Maßstäbe unbedeutend. Sie existieren einfach nicht. Macht es einen Unterschied, ob ich ein reiches Leben voller Sinn und Liebe habe? Für mich ja. Für die mir nahestehenden Menschen
ebenso. Jeder Mensch als Welt. Baue deine Säulen weiter. Mit Liebe. Als wären sie für die Ewigkeit.
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